Ist der Rechtsruck gestoppt?

In den letzten Tagen gab es einige gute Nachrichten – es verbreitet sich ein Hauch von Politikänderung. Durch den Verfassungsgerichtshof wurden einige der ärgsten Maßnahmen aus dem neuen Sozialhilfegesetz gekippt, die bundesweite Überwachung durch Spionagesoftware (Staatstrojaner) wurde ebenfalls durch den Verfassungsgerichtshof abgelehnt, das Verhalten der Polizei gegenüber Teilnehmer*innen einer Klimademo vom Landesgericht Wien als rechtswidrig beurteilt. Trotz der Ansage von Kurz, von seiner Migrationspolitik nicht abzuweichen, ist die Abschiebung von Lehrlingen ausgesetzt – nach einem Antrag der ÖVP im Parlament! Und in einer der letzten Umfragen rutscht die FPÖ tatsächlich hinter die Grünen ab! Einige der Hoffnungen mit dem Ende von Schwarzblau erfüllen sich und es ist eine Bestätigung für alle, die sich genau das gewünscht haben. Es stimmt: Die FPÖ ist nicht unschlagbar und Politikveränderung ist möglich.

Die Vorstellung, dass die Koalitionsgespräche beeinflusst werden, ist nicht unbegründet. Kurz braucht einen neuen stabilen Regierungspartner und macht dafür einige Zugeständnisse. Sein Plan, an einer harten Migrationspolitik festzuhalten, ist nicht mehr sehr glaubwürdig. Aber das schadet ihm nicht. Es vermittelt den Eindruck, er wäre ein vernünftiger Mensch, der sich von Argumenten überzeugen lässt. Davon dürfen wir uns nicht täuschen lassen; Kurz ist ein Politiker, der sich Situationen anpassen kann, aber letztlich doch im Interesse von Banken und Konzernen arbeitet.

Insofern sollte uns die Erinnerung an die erdrückende Stabilität von Schwarzblau eine Lehre sein, die aktuelle Entwicklung nicht zu überschätzen. Ebenso schnell, wie Kurz jetzt Abstand von rassistischer und autoritärer Politik hält, kann er sich dem wieder zuwenden, wenn es die Situation erfordert. Wohin wird dann die Stimmung gehen? Die FPÖ steht in den Startlöchern: Sie ist geschwächt, aber nicht tot. Kickl greift offensiv die ÖVP für deren Politikwechsel an und prophezeit weiterhin das Chaos durch zu viel Migration und zu wenig Abschiebung.

Die Widersprüchlichkeit im herrschenden Block im Umgang mit der FPÖ und die veränderte politische Landschaft durch die Klimabewegung haben eine neue Ausgangssituation geschaffen. Was wir erleben ist kein grundlegender Politikwandel, sondern der Versuch, dem Kurz-Projekt mithilfe der Grünen eine andere Form von Stabilität zu sichern.

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