Ist die Polizei veränderbar…?

Die Rebellion nach dem Mord an George Floyd hat sich quer durch die USA ausgebreitet und auch eine globale Dimension bekommen. Denn nicht nur in Nordamerika haben Viele Rassismus und Polizeigewalt satt.

Trotz unzähliger Polizeimorde in den letzten Jahren und den Protestreaktionen von Black Lives Matter wurde wieder mal ersichtlich: es hat sich nichts geändert. Die Polizei mordet weiter und macht dies, wie im Video zu sehen, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Den aktuellen Protesten entgegnet sie mit willkürlicher Gewalt und Festnahmen. Da bringt es auch wenig, wenn aufgrund des enormen Drucks demoralisierte Polizeieinheiten vereinzelt symbolische Solidarität zeigen.

Die Polizei ist keine neutrale Instanz. Ihre zentrale Aufgabe ist die Einzementierung und Kontrolle der im Kapitalismus geschaffenen sozialen Ungleichheiten und der damit einhergehenden rassistischen Spaltung. Schwarze sind weit mehr von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen. Der Rassismus stilisiert sie zu einer „asozialen“ Unterschicht, die zur Wahrung der Ordnung niedergehalten werden muss. Alle größeren Revolten gegen rassistische Gewalt waren eng damit verbunden. Nach der Ermordung von Martin Luther King 1968, den Aufständen 1992 in LA, Ferguson 2014 oder heute. In der Person George Floyd kam beides zusammen. Hintergrund der Festnahme war ein vermeintlich gefälschter 20 Dollar Schein. Die wirtschaftlichen Dimensionen der aktuellen Krise sind in den USA dramatisch und erklären die Sprengkraft der Proteste.

Je mehr sich ökonomische Ungleichheiten verschärfen, umso offensichtlicher wird die Funktion der Polizei. Während das Gesundheitssystem in den USA ausgehungert wurde, sind landesweit Polizeieinheiten mit hochtechnologischen paramilitärischen Ausrüstungen zugedeckt worden um gegen die sich zuspitzenden sozialen Widersprüche vorzugehen. Sowohl im Alltag als auch bei Protesten.

Auch in Österreich merken wir eine Trendwende, wenn natürlich auch in anderen Dimensionen. Polizeigewalt auf Demonstrationen häufen sich, wie zuletzt am 1. Mai oder im Jahr davor am Klimaprotest bei der Urania. Noch offensichtlicher wird es im Umgang mit alltäglicher Armut und Verelendung. Die neu geschaffenen Spezialeinheiten wie die Einsatzeinheit (2006) oder die Bereitschaftseinheit (2012) kommen vermehrt zum Einsatz – vor allem an „sozialen Brennpunkten“. Rassistisch motivierte Polizeikontrollen sind Alltag in Wien. Nicht fragen, sondern handeln, nicht diskutieren, sondern durchsetzen ist die Devise bei Polizeieinsätzen. Die politischen Parteien überbieten sich wiederum in den Forderungen nach „mehr Polizei“.

Als Linke brauchen wir einen strategischen Zugang, der sich nicht in der Illusion verläuft, die Polizei von innen heraus zu verändern. Kapitalistische Ausbeutung und staatliche Unterdrückung sind untrennbar miteinander verbunden. Polizei und Justiz sind deren ausführende Organe.

Forderungen müssen dementsprechend so ausgerichtet sein, dass sie den Widerspruch zwischen der vermeintlichen Neutralität der Polizei und der Realität ersichtlich machen. „Soziale Sicherheit statt Repression“ ist die klassische Gegenansage zur Law-and-Order-Politik. Nicht mehr Polizei, sondern Verringerung der Ungleichheit und Unterstützung für jene die es brauchen. Punktuell lassen sich damit auch konkrete Einschränkungen des Handelns der Polizei erkämpfen. Denn die Polizei löst keine Probleme, sondern verschärft sie.

Um staatliche Repression und Polizeigewalt letztendlich zu überwinden, braucht es das Vertrauen in Selbstorganisierung – auch auf lokaler Ebene, denn viele Arbeiter*innen nehmen die bestehenden Verhältnisse als natürlich und unveränderbar wahr. Dieses Vertrauen entsteht nur aus der Erfahrung politischer Selbstermächtigung. Den aktuellen Protesten in den USA gehen selbstermächtigende Bewegungen, wie Black Lives Matter, die Schüler*innenbewegung gegen liberale Waffengesetze, sowie zahlreiche gewerkschaftliche Kämpfe oder die Bernie-Sanders-Kampagne voraus. In ihnen haben Hunderttausende die Erfahrung kollektiver Organisation gemacht und den Glauben an eine Gesellschaft fernab von kapitalistischer Profitlogik und staatlicher Repression gewonnen. Zugleich ist die Perspektive, dieses System zu reformieren – etwa durch die Inklusion von „Minderheiten“ in den Staatsapparat – in den Augen vieler gescheitert. Unter Obama ist die Zahl der rassistischen Polizeimorde sogar gestiegen.

Deswegen erleben wir in den USA gerade die größte Rebellion seit Jahrzehnten mit breiten Sympathien. 54% unterstützen die Proteste. Die Unzufriedenheit über das aktuelle System – sowohl ökonomisch, als auch politisch in Form der Polizei und Justiz – hat mit der Ermordung von George Floyd einen Auslöser gefunden. Die Rebellion bringt grundsätzliche Fragen zu Staat und Polizei aufs Tapet. Die Systemfrage zu stellen und eine Neuorganisierung der Gesellschaft zu diskutieren und zu fordern, ist zentrale Aufgabe der Linken.

 

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