Corona-Krise, Hilfspaket und Antikapitalismus

Die Bundesregierung hat in kürzester Zeit ein gigantisches Rettungspaket zusammengestellt. Die Krise ist für die arbeitende Bevölkerung damit nicht abgewendet – im Gegenteil. Für die Linke wird es Zeit, aus der Defensive zu kommen.

 

Der Klassiker in der Krise – Geld für Unternehmen wird bereitgestellt

Das von der Regierung beschlossene Hilfspaket ist im Wesentlichen eine Maßnahme zur Rettung von Unternehmen. Von den 38 Mrd. Euro sind 10 Mrd. Euro für Steuerstundungen geplant. Haftungen und Garantien, die den Unternehmen Zugang zu Überbrückungskrediten u.dgl. ermöglichen sollen, machen 9 Mrd. Euro aus. Auf 15 Mrd. Euro belaufen sich die geplanten „Notfallhilfen“ – hier geht es um direkte Zuflüsse von öffentlichen Geldern, um Umsatzausfälle von Unternehmen auszugleichen. Im 4 Mrd. schweren „Krisenbewältigungsfonds“ befindet sich u.a. der mit 1 Mrd. Euro dotierte „Härtefonds“ für KMU, mit vergleichbaren Zwecken: Hier werden voraussichtlich auch Ein-Personen-Unternehmen und Neue Selbstständige zum Zug kommen. 400 Mio. Euro sind für die sogenannte Corona-Kurzarbeit abgestellt, bei der der Staat einen Teil der Lohnzahlung von Arbeitskräften übernimmt, die vorübergehend nicht in vollem Umfang eingesetzt werden. Das Modell Kurzarbeit wird sich voraussichtlich auf „Schlüsselkräfte“ und/oder Bereiche beschränken, in denen die Belegschaften über Gewerkschaft und Betriebsrat sozialpartnerschaftlich eingebunden sind.

Abgesehen von dieser Maßnahme schauen unselbstständig Beschäftigte durch die Finger – und damit ein Großteil der erwerbstätigen Bevölkerung. Die Entscheidung über die Erhaltung der Arbeitsplätze bleibt in den Händen der Arbeitgeber*innen – auch die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Kurzarbeit. Skandalös, dass der Zugriff auf öffentliche Gelder nicht einmal mit Auflagen für Beschäftigungssicherung verbunden ist. 100.000 Personen wurden vergangene Woche neu beim AMS gemeldet; mindestens weitere zehntausende werden folgen. Für jene, die durch die Corona-Krise den Job verlieren, sind keine außerordentliche finanzielle Hilfen da.

 

Kein „weiter wie bisher, koste es was es wolle“

Das Maßnahmenpaket bedient also vor allem die Interessen von Kapitalist*innen und folgt einem altbekannten Muster in Krisenzeiten: Stützung privater Gewinne, Vergesellschaftung der Verluste; Flexibilität im Anwerben und Abstoßen der Arbeitskräfte.

Gerade in Hinblick auf die Eindämmung der Pandemie sind die Maßnahmen ineffektiv. Anstatt wirtschaftliche Hilfen an die Stilllegung von Aktivität zu binden und damit das Infektionsrisiko für Beschäftigte zu verringern, entscheidet die Unternehmensführung, was mit ihren Mitarbeiter*innen passiert: Ob sie ihre Arbeiter*innen weiterhin in die Arbeit zwingt, als wäre nichts geschehen, ob sie Kurzarbeit veranlasst, wenn Lieferketten oder Absatz einbrechen oder ob gleich die Kündigung ausgesprochen wird.

Eine Linke, die sowohl den gesundheitlichen wie sozialen Notstand ernst nimmt, sollte diesem „weiter wie bisher, koste es was es wolle“ einen Plan zur Rettung von Menschen entgegenhalten. Die Milliarden brauchen wir u.a. für

  1. einen Produktionsstopp in nicht lebensnotwendigen Wirtschaftsbereichen inklusive Kündigungsstopp und Entgeltfortzahlung,
  2. Lohnerhöhungen und Entlastung in den Bereichen, deren Betrieb aktuell akut notwendig ist (Gesundheitswesen, Pflege, Handel, Nahverkehr, etc.),
  3. Die Evakuierung der Lager in Griechenland und die Aufnahme von Schutzsuchenden,
  4. Eine allgemeine Form der „Corona-Grundsicherung“, die auch jene prekären Arbeitskräfte berücksichtigt, für die es kein Arbeitslosengeld gibt.

 

Antikapitalismus ist nicht reine Utopie

Corona hat ein zunehmend instabiles wirtschaftliches und politisches Arrangement durcheinandergeworfen. Zur Rettung dieses Systems verlieren bürgerliche Regierungen aktuell Hemmungen sowohl was die Unantastbarkeit der Marktwirtschaft, als auch demokratische Rechte und Freiheiten betrifft, die die ökonomischen Rettungsmaßnahmen stören würden.

Die Schnelligkeit, mit der die europäischen Regierungen alle Dogmen bezüglich Budgetdisziplin und Staatsverschuldung fallen gelassen haben, spricht Bände.

Das Geld für die Schulden, die jetzt für die Unternehmensrettung gemacht werden, wollen sie sich später von uns allen mit Austerität und Sozialabbau holen. Unverblümelt hat der Finanzminister davon gesprochen, dass die Zeit des Sparens wieder kommen wird. Ob es diesmal wirklich so laufen wird, wie sie sich das vorstellen, ist allerdings offen. Dies soll ein allgemeines Argument dafür sein, als Linke keine rein defensive Haltung einzunehmen, die sich auf die Verteidigung von Existenzgrundlagen beschränkt.

Abgesehen von den „alten“ Forderungen nach Vermögens- und Erbschaftssteuern bieten sich weitere unmittelbare Maßnahmen an: Die Aussetzung von Kreditrückzahlungen, sowie von Mieten, Strom- und Gasrechnungen, stellen beispielsweise nicht nur eine unmittelbare Entlastung für Haushalte und Kleinunternehmen dar, sondern können auch die Diskussion darüber öffnen, wie die Verteilung von Kapital, Raum, Strom, etc. überhaupt organisiert werden sollte. Und wenn zentrale industrielle Bereiche wie die Automobilindustrie in Österreich und Europa in eine tiefe Krise geraten, dann muss die Linke sich dafür stark machen, dass eine gesellschaftliche „Rettung“ dieser Branchen mit einer gesellschaftlichen Debatte und Entscheidung darüber verknüpft ist, was dort für wen und unter welchen Bedingungen produziert wird. Antikapitalismus wird aufhören, reine Utopie zu sein und viel mehr mit der Bewältigung aktueller Aufgaben zu tun haben – sofern sich eine starke Linke um die Beantwortung der aktuellen politischen Fragen herum organisiert.

Unsere Argumente sollten auf die Solidarität mit denjenigen setzen, die das gesellschaftliche Vermögen und die Dinge des alltäglichen Bedarfs produzieren. Sie können Kontrolle und Mitsprache darüber auch jenen in die Hände zu legen, die die Produkte brauchen und verbrauchen.

In unserer Praxis sollten wir mit jenen zusammenarbeiten, die sich für eine gerechte Finanzierung der Maßnahmen gegen die Corona-Krise und für den dringend notwendigen sozialen und ökologischen Umbau unseres Wirtschaftssystems einsetzen.

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